Prof. Harald Riedel:
Systemische Didaktik

Beispiel operante Konditionierung

Beispiele zur operanten Konditionierung:

1. “Patient”

In einem amerikanischen Krankenhaus für Geistesgestörte und Gehirngeschädigte mussten Patienten zu besonderen Untersuchungen in die Kellerräume gebracht werden. Einer der Patienten lebte in einem nahezu tierischen Zustand. Er biss Personen, die sich ihm näherten, und er konnte nicht sprechen. Von einem erfahrenen Studenten wurde er auf folgende Weise konditioniert: Jede Handlung des Patienten, die in Richtung auf das schließlich gewünschte Verhalten ging, nämlich das freiwillige Hinuntergehen in die Untersuchungsräume wurde vom Studenten belohnt.

  • Es war bekannt, dass der Patient sehr gerne Süßigkeiten aß. Als er das erste Mal seinen Kopf in Richtung Tür drehte, wurde er mit einem Bonbon belohnt.
  • Kurz darauf richtete der Patient seinen Blick erneut zur Tür, woraufhin der Student ihm wiederum einen Bonbon gab.
  • Durch mehrmalige Wiederholung dieses Vorgangs wurde erreicht, dass der Patient sich schließlich freiwillig in Richtung Tür stellte.
  • Nach dieser Phase entfiel die Belohnung solange, bis der Patient das erste Mal einen Schritt in Richtung Tür unternahm.
  • Nachdem der Patient mehrere Male für die Schritte in Richtung Tür belohnt worden war, wurde die Belohnung wieder solange zurückgehalten, bis der Patient erstmals Schritte zur hinunterführenden Treppe unternahm.

Nach mehrtägigem Training war der Patient tatsächlich bereit und fähig, die Treppe hinunterzugehen, den Untersuchungsraum zu betreten und sich untersuchen zu lassen.

 

2. „Donald”

„Donald, der Schrecken der 2. Klasse, das ungezogenste Kind der East-Park-School (...)“ war derartig aggressiv und unbeeinflussbar, dass er als geistig retardiert eingestuft worden war und sogar medikamentös beruhigt wurde, weil sich Eltern, Lehrer, Psychologen und Ärzte nicht anders zu helfen wussten. „Aufgrund seiner schweren Verhaltensprobleme befand er sich die meiste Zeit außerhalb der Klasse. Wenn er in der Klasse war, verbrachte er die meiste Zeit damit, herumzuhüpfen und andere Kinder zu schlagen.“ (S. 6). Der behandelnde Therapeut diagnostizierte: „Die wahrscheinlichsten Verstärker für Donalds Problemverhalten waren das Schreien, das Klatschen und die Ergebenheit seiner Opfer. Sein unmögliches Verhalten in der Klasse sorgte für Aufmerksamkeit und er war in der Lage, den Lehrer zu übertrumpfen.“ (...) „Dieses alte Verhalten hörte auf, als ihm sein neues Verhalten wichtigere Verstärker einbrachte (...).“ Das waren in der genannten Folge „Bonbons, Sterne, Punkte für ein Fahrrad und schließlich Lob und Lächeln, die als Anerkennung von Erwachsenen für Donald von Wert waren.“ (S. 13) Die Belohnungen wurden systematisch und gestuft in Zusammenarbeit zwischen Therapeut, Lehrerin und Eltern gewährt, wenn Donald bestimmtes, vorher festgelegtes Verhalten zeigte. Zunächst erhielt Donald z.B. je einen Bonbon, wenn er einen Abschnitt in einem Arbeitsbuch bearbeitet hatte, sich gemeldet hatte und die Arbeit von der Lehrerin hatte ansehen lassen, außerdem „(...), wenn irgendein Klassenkamerad berichtete, Donald habe schön mit ihm gespielt, ihn nicht geschlagen oder sonst was Ähnliches getan (...).“ Nach acht Wochen hatte Donald seine schulischen Leistungen stark verbessert, (...) „in keiner Woche wurden mehr als fünf Schläge registriert und im Verlaufe von zwei Wochen schlug er überhaupt nicht. Er saß auf seinem regulären Platz in der Reihe (...)“ und in der letzten Schulwoche berichtete die Lehrerin: „Donald ist - zweifellos - dasjenige Kind in meiner Klasse, das sich am besten benimmt. Er steht nie mehr ohne Erlaubnis von seinem Platz auf. Selten erwische ich ihn beim Reden. Er stört die Spiele anderer nicht mehr (...)“ (S. 8).

Auch dieser Fall erscheint extrem und wurde offensichtlich von einem speziell eingesetzten Verhaltenstherapeuten zum guten Ende geführt. Kann aber die normale Klassen-Lehrerin in ähnlicher Weise wirken? Dazu ein weiteres Beispiel:  

3. “D”
Eine  Lehrerin war anfänglich hilflos, wenn sie zusehen musste, dass D. schwächere Schüler an den Haaren zog, das  Buch eines Mitschülers zerriss, absichtlich einen Bleistift zerbrach oder ständig Schulsachen anderer Schüler beschädigte. Nach zunächst wirkungslosen Versuchen, den Schüler zu disziplinieren, stellt sie einen langfristigen Konditionierungs-Plan auf: Dabei spielte „Verstärkungen“, die auf die stärksten sozialen Bedürfnisse (Sicherheit und  Zuneigung) ausgerichtet waren, die wichtigste Rolle:
„Als Ausdruck der Freundschaft setzte sich die Lehrerin oft während der freien Arbeit zu ihm. (Das Mädchen, das von D. am meisten gequält wurde, wurde ihrem Wunsch entsprechend in die Parallelgruppe genommen).
Hausbesuche und Gespräche mit den Eltern bahnten ein Vertrauensverhältnis an.
Persönliche Kontakte wurden über den Sohn der Erzieherin verstärkt (D. malte für ihn Bilder und bekam beim Hausbesuch durch die Erzieherin ein Buch geschenkt).
Alle Maßnahmen führten dazu, dass sich - zunächst kleine - Lernerfolge und Verhaltensänderungen einstellten, die systematisch bestätigt wurden.
Allmählich wurde D. auch von den anderen Kindern akzeptiert, fand einen Freund und konnte zunehmend in die Gruppe integriert werden.“