Prof. Harald Riedel:
Systemische Didaktik

Besonderheiten von Unterrichts-Technologie und -Praxis

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Besonderheiten von Unterrichts-Technologie und -Praxis

 

Technik und Praxis unterscheiden sich grundlegend,
obwohl beide die Welt verändern!

Eine technologische Situation ist u. a. dadurch gekennzeichnet, dass die zu erreichenden Ziele vorgegeben sind.

Da Techniken ohne Bezug auf konkrete Personen erlernbar sind, kann die Technologie wie die Theorie einer Allgemeinen Didaktik  schon an der Hochschule gelernt werden.


.
In einer
praktischen Situation dagegen sind Normen- und Zielsetzung unter Freiheitsverbrauch der beteiligten Personen grundlegende Merkmale.
 
Sittlich-verantwortliches Handeln lässt sich nicht durch Lehre lernen.

Praxis kann daher nur
durch Erfahrung, also erst
durch selbständiges und selbstverantwortetes Unterrichten gelernt werden.
 

TheorieTechnologiePraxisLernbarkeit

Was durch Lehre erlernt werden kann, sollte auch an der Hochschule gelehrt werden! Aber:

Die Hochschule kann keine Praxis vermitteln,

darf sich aber auch  nicht auf die Vermittlung von didaktischen Theorien beschränken,

sondern muss mindestens grundlegende Unterrichts-Techniken lehren!!!

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Im Gegensatz zur Unterichtswissenschaft ist der Bedeutungsunterschied von Theorie, Technik und Praxis in der Medizin auch umgangssprachlich erhalten geblieben.

Beispiel: Antibabypille

Erst  1960 waren die theoretischen Kenntnisse über das Zusammenspiel von Östrogen und Gestagen im Zusammenhang mit Entstehung und Ablauf einer Schwangerschaft ausreichend, um sie in Techniken der hormonellen Verhütung einsetzen zu können. 

Die Einnahme der sog. Antibabypille war technisch einfach: (21 Tage Zuführung der enthaltenen Hormone, dann 7 Tage keine Hormone).

Dennoch zeigten sich nach Einführung viele praktische Probleme. Nicht wenige Frauen scheiterten daran, dass sie die Pillen nicht genügend regelmäßig einnahmen. Für die Ärzte aber waren und sind viel schwierigere Entscheidungen zu fällen. Einerseits behinderten damalige Moralvorstellungen: Darf die Pille nur verheirateten Frauen verschrieben weren? Heute: Ab welchem Alter oder welchem psychischen Reifestand dürfen Mädchen die Pille einnehmen? Welche Gefahren bestehen hinsichtlich des erhöhten Krebsrisikos, möglicher Depressionen, Gewichtsveränderungen usw. Der Praktiker muss täglich aus seiner Weltsicht und in Einschätzung der persönlichen Verhältnisse seiner Patientinnen entscheiden.

Vergleichbares gilt auch im Unterricht.
Theoretisches Wissen kann nicht einfach in Unterrichtstechnik umgesetzt werden,
 und ob eine Technik wirklich eingesetzt werden kann oder soll,
kann nur der praktizierende Lehrer gegenüber oder mit konkreten Schülern entscheiden.

Beispiel: Intern-Operationen

In der Systemischen Didaktik wurden mehrere empirische Untersuchungen zum Schwierigkeitsgrad zweier wichtiger Intern-Operationen durchgeführt. Wie im theoretischen Modell vorausgesagt, erwies sich die Operation AUSWERTEN  signifikant leichter als KONVERGENTES DENKEN, gleichgültig, wie alt die Versuchspersonen waren oder um welchen Unterrichtsgegenstand es sich handelte. Hier ein Beispiel aus dem naturwissenschftlichen Grundschulunterricht:

UboootKDA

Baue aus den Teilen ein U-Boot, das du tauchen und aufschwimmen lassen kannst!
 

SENKRECHTgrün

Der Kiel des U-Boots besteht aus einem Magneten. Stelle Dir vor, Du hältst den oberen Magneten wie in den Zeichnungen.

Kreuze alle richtigen Zeichnungen an!

UbootAUSW
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Beide Aufgaben verlangen, dass Kenntnisse über die Zwei-Pole-Wirkung von Magneten angewendet werden, links das konvergent-denkende Anwenden, rechts das auswertende Anwenden. Ein vielfach überprüfte
          Theorem
der Systemischen Didaktik besagt, dass die linke Aufgabe schwieriger ist als die rechte.

Planungs- und realisations-technisch kann dieses Theorem je nach Zwecksetzung unterschiedlich eingesetzt werden:

1.
Um insbesondere Schülern mit Lernschwierigkeiten im Sinne “Vom Leichten zum Schweren” zu helfen, schwierige Sachverhalte anwenden zu lernen:

 Bevor eine Information konvergent denkend angewendet werden soll, erhält der Schüler immer die Gelegenheit, dieselbe Information zuvor auswertend anzuwenden,

notfalls in unterschiedlichen Variationen des Operations-Objekts.

oder 2.
Bei erfolgsgewohnten Schülern kann man genau umgekehrt verfahren:

Der Schüler wird erst mit der schwierigeren linken Aufgabe im Sinne einer Problemstellung konfrontiert.

Erst wenn er keine Lösung findet, wird die rechte Aufgabe zum Auswerten als “minimale Hilfe” eingesetzt, bevor die  Information in noch leichterer Aufgabenstellung angeboten würde.

In der Praxis allerdings wird der Lehrende sorgfältig abwägen müssen,

 bei welchem Schüler die Häufung von Auswert-Aufgaben als Hilfe willkommen sind,

bei welchen hingegen die Gefahr der Langeweile oder Unterforderung besteht.

Bei der zweiten technischen Variante wird er auch einschätzen müssen, wie erfolgs- oder  wie misserfolgsmotiviert ein Schüler ist, 

bzw. wie groß das Sicherheitsbedürfnis des Schülers einerseits und das Motiv des Verstehen-Wollens andererseits ausgeprägt sind.

Wie in der Medizin verbietet es eine verantwortungsvolle Praxis,
die von der Didaktik gelieferten Techniken bedenkenlos oder routinemäßig einzusetzen,
und hätten sie sich auch noch so oft und noch so gut bewährt.

Weiter:

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 Forschungsanliegen in den verschiedenen Wirkungsfeldern

 Passung von Untersuchungsmethoden

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