Prof. Harald Riedel:
Systemische Didaktik

Philosophische Aspekte der Objektbereiche

Zurück:    Startseite       Systemische Didaktik       Teil-Modelle     Didaktische Objektbereiche

FlächeBannerFarbe2

Philosophische Aspekte didaktischer  Objektbereiche

Inhalt dieser Seite:

Wo begegnen sich die Systemische Didaktik und die Drei-Welten-Theorie
Überschneidungen der didaktischen Objektbereiche und Welten
Wie unterscheiden sich die didaktischen Objektbereiche?
Unterrichts-Objekte und Operations-Objekte. Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Was man mit Operations-Objekten oder Unterrichts-Objekten tut, hat unterschiedliche Folgen.
Beispiel: "Brot backen"
Literatur

Anliegen der Systemischen Didaktik ist es, didaktische Fragen systemisch, also unter dem Gesichtspunkt der Funktion zu betrachten. :

 Das bedeutet für die im Zusammenhang mit Unterricht auftretenden Objekte eine dreifache Unterscheidung in:

Unterrichts-Objekt

Operations-Objekt

Hilfsmittel

0-StrichSenkrechtGelb

Führt man beide Betrachtungsweisen zusammen, so ergibt sich folgendes Bild:

K. R. POPPER klassifiziert Objekte in seiner
3 - Welten - Theorie unter zwei Gesichtspunkten:

Gegenständlichkeit    (materiell - immateriell)
Personenbezug    (objektiv - subjektiv)

Popper3WELTENsymbolFarbe
0-StrichSenkrechtGelb
DidaiktischeObjekte3WELTEN

Die mehrfachen Überschneidungen vermitteln bereits den Eindruck etwas verwickelter Verhältnisse. So gehören Unterrichts-Objekte und auch Operations-Objekte jeweils zwei Welten an:

Lediglich Hilfsmittel sind eindeutig einer Welt zuzuordnen, nämlich WELT 1.

Daher könnte man vermuten, die Abgrenzung der drei Objekt-Bereiche sei nicht eindeutig. Das trifft jedoch nicht zu.
Die Überlappungen  kommen vielmehr dadurch zustande, dass Unterrichts-Objekte, Operations-Objekte und Hilfsmittel trotz der zwischen ihnen bestehenden funktionellen Unterschiede Gemeinsamkeiten aufweisen.
Diese sind auch die Ursache dafür, dass die Objekt-Bereiche oft immer noch zu undifferenziert betrachtet bzw. nur mangelhaft unterschieden werden.

 

An einem  Beispiel lassen sich die Verhältnisse  klären:  Betrachten Sie sich in dieser Situation als Lernender, so lassen sich leicht folgende Zuordnungen vornehmen:

Teil-IUO
Teil-Inf
Teil-TechnEinVerh
Teil-OpO
Teil-extern
Teil-intern
Teil-Hm

bezeichnen das, was Sie auf dieser Seite lernen könnten, also die Aspekte dreier didaktischer Objekte aus Sicht der Drei-Welten-Theorie.

Die Drei-Welten-Theorie von POPPER wurde seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts vielfach publiziert und diskutiert. Das Gleiche trifft für die Systemische Didaktik von KÖNIG und RIEDEL zu.
Als reine Informations-Komplexe sind sie Bestandteile der WELT 3.
Während Sie sich aber z. Z. lernend mit diesen Theorien beschäftigen, werden diese Informationen subjektiv verknüpft und daher zu Gegenständen der WELT 2.

Völlig anders verhält es sich mit den anderen Grundformen Technik, Einstellung und Verhaltensweisen.

Techniken  werden erst gebildet, wenn ein Mensch bestimmte Informationen zu einem bestimmten Zweck produzierend anwendet. Ohne die subjektive Tätigkeit eines Menschen kommt keine Technik zustande. Deshalb sind Techniken Gegenstände der WELT 2. Inhalt von WELT 3 können nur Informationen über die Technik sein, nicht die Technik selbst.

Einstellungen und Verhaltensweisen sind ebenfalls an Subjekte gebunden. Sie kommen erst durch langfristige Gewöhnungsprozesse des Lernenden zustande. Daher sind auch sie eindeutig der WELT 2 zuzuordnen.

sind jene Objekte, mit denen Sie operieren, um das Unterrichts-Objekt zu lernen. Sie sind teilweise direkt zu erkennen, teilweise jedoch nicht:

das sind jene Operations-Objekte, an denen Sie mit Ihren Sinnesorganen operieren. Das sind in unserem Fall die obigen drei Bilder, aber zusätzlich auch die Textabschnitte, die Ihnen weitere Erklärungen bieten, ebenso solche Bilder und Texte, die Sie sich durch Anklicken von LINKS verfügbar machen . Sie alle sind Gegenstände der WELT 1.

das sind jene Operations-Objekte, die äußerlich nicht sichtbar sind. Das sind die Bewusstseins-
Inhalte
bzw. Vorstellungen und die Gedächtnis-Inhalte, mit denen Sie innerlich denkend umgehen.
Das könnten beispielsweise Vorstellungen sein, die sich bei Ihnen einstellen, wenn Sie von den drei Welten lesen, oder darüber, was Sie als materiell und immateriell, als subjektiv oder objektiv betrachten.
Während Ihnen diese Gegenstände bewusst werden, fließen auch Inhalte aus dem Gedächtnis zu: Was Sie sonst schon von POPPER gelesen haben, was Sie über systemische und klassifikatorische Ordnungen anderer Art wissen u. v. a. m.
Diese äußerlich nicht handhabbaren Inhalte sind an Ihre Person gebunden und daher als subjektiv der WELT 2 zuzuordnen.

sind alle Objekte, die der Lernende benötigt, um sich ein (externes) Operations-Objekt verfügbar zu machen. In Ihrem Fall ist das z. B.  Ihr Rechner und  der zugehörige Bildschirm.
Ohne sie könnten Sie z. Z. weder die oben genannten Bilder noch die Texte zur Kenntnis nehmen. Keines unserer Sinnesorgane ist in der Lage, die im Rechner gespeicherten Inhalte wahrnehmbar zu machen. Die Hilfsmittel dienen also dazu, den raum-zeitlichen Kontakt zwischen Lernendem und Operations-Objekt herzustellen. Statt des Rechners und des Bildschirms könnten die Operations-
Objekte natürlich auch auf  die Hilfsmittel OH-Folie oder Papier gedruckt werden. Allerdings hätten Sie dann keinen Zugang zu jenen Operations-Objekten, die sie durch das Hilfsmittel “Maus” sichtbar machen können.
In allen Fällen jedoch ist das Hilfsmittel Gegenstand der WELT 1.

grün

Betrachtet man die Verhältnisse aus Sicht der drei Welten, so findet man nur einen einzigen Fall eindeutiger Zuordnung, nämlich WELT 3.
 

Teil-Welt3

enthält
-   Informationen 
    die man möglicherweise  als Unterrichts-Objekte lernen könnte.

WELT 1 und WELT 2 dagegen  enthalten Gegenstände aus jeweils zwei didaktischen Objektbereichen:
 

Teil-Welt1
Teil-Welt2

enthält

-   Hilfsmittel
Operations-Objekte, allerdings nur solche externer Art.

Beide sind immer materieller Art.
Da weder der Alltagsverstand noch manche didaktische Theorien zwischen externen und internen Operations-Objekten unterscheiden, wurden und werden beide Objekt-Bereiche, also Operations-Objekte und Hilfsmittel in den einen Topf geworfen, den HEIMANN erstmals mit dem Namen “Medium” belegte.

Das hat didaktische wie kommerzielle Folgen. So beschäftigen sich neuere Standardwerke zur Allgemeinen Didaktik auf vielen Seiten unter dem Stichwort “Medien” ausschließlich mit den Vor- und Nachteilen von Hilfsmitteln und ihren Einsatzmöglichkeiten, ohne eine entsprechende Auffächerung für die viel wichtigeren Operations-Objekte vorzunehmen.

enthält
interne Operations-Objekte
gelernte Unterrichts-Objekte

Obwohl die beiden Objektbereiche völlig verschiedene Funktionen haben, enthalten sie neben unterschiedlichen auch gemeinsame Dimensionen:

Objekte

übereinstimmende Dimensionen:

unterschiedliche Dimensionen:

  Operations-Objekte

Komplexitäts-Stufen
Zeichen-Dimensionen

Konkretions-Stufen
Nachrichten-Kanäle
nicht-notwendige Bestandteile
Reiz-Intensität

Unterrichts-Objekte

Komplexitäts-Stufen
Zeichen-Dimensionen

Grundformen

grün

Wenn  auch heute noch Unterrichts- und Operations-Objekte trotz ihrer unterschiedlichen didaktischen Funktion vermischt oder gar verwechselt werden, hat das natürlich auch damit zu tun, dass beiden Bereichen die Dimensionen der Komplexitäts-Stufen und Zeichen-Dimensionen gemein sind.
Schwerwiegender jedoch sind zwei andere Ursachen:

  • erlernte Unterrichts-Objekte können als Gedächtnis-Inhalte zu Operations-Objekten werden.
  • bei der Beobachtung von Unterricht fallen oft die Tätigkeiten, die die Lernenden ausführen, stärker ins Auge als die Unterrichts- und Operations-Objekte, an denen diese Tätigkeiten vollzogen werden.
grün

Zum zweiten Punkt:

Es ist durchaus natürlich, dass Lernende eher am Vollzug einer Tätigkeit als am Erwerb von “Inhalten” interessiert sind.
Lehrer jedoch sollten unterscheiden können,  worauf sich die  “Tätigkeit” eines Lernenden bezieht.

  • Wird sie am Operations-Objekt vollzogen, mit dem Zweck oder der Nebenwirkung, dass der Lernende neue Informationen erwirbt,
  • oder wird ein schon zuvor erlerntes Unterrichts-Objekt “tätig” angewendet, um auf die Welt verändernd einzuwirken?

 Ist sich der  Lehrende bzw. Planende des Unterschiedes nicht bewusst, besteht die verbreitete Gefahr, dass er die Tätigkeit an sich , wie auch der Schüler, an sich wertet, gleichgültig worauf sie sich bezieht, und welchen Zweck sie im Unterrichtsprozess erfüllt.

Verdeutlichen wir uns dies an einem Beispiel, das sowohl in der Grundschule wie in der Berufsschule anzutreffen ist.

Beispiel:   “Brot backen:

In den meisten Fällen werden Grund- wie Berufsschüler gerne Brot backen, allein schon, weil diese Tätigkeit eine Abwechslung in den oft langweiligen Unterrichtsalltag bringt. Der Lehrende dagegen sollte  unterscheiden, welchen Stellenwert die auszuführende Tätigkeit haben kann:

A

  • Man lässt Schüler Brot backen, damit sie sich dessen bewusst werden sollen, welche Mühe aufgebracht werden muss, um Brot herzustellen, oder damit sie erkennen, wie durch Erhitzen aus dem weichen Teig ein knuspriges Brot wird.
  • Das Unterrichts-Objekt sind dann die jeweils zu erkennenden Informationen.
  • Operations-Objekte sind die zum Brotbacken benötigten Utensilien.
  • Wenn die Lernenden unter der genannten Zielsetzung backen, so vollziehen sie ihre Tätigkeiten an den Operations-Objekten.
  • Die Tätigkeit dient hier in erster Linie dazu,  die Intensität und Wirksamkeit des Lernprozesses zu erhöhen.
  • Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob die so entstehenden Brote gelungen sind, ob sie gut schmecken oder aussehen. Die Qualität der Produkte ist nebenrangig.

B

  • Schüler sollen eine hauswirtschaftlich zweckmässige Technik des Brotbackens lernen.

     
  • Das Unterrichts-Objekt ist eine Technik und die dazu notwendigen Teil-Techniken.
  • Operations-Objekte sind die gleichen Utensilien, wie sie  zum Brotbacken benötigt werden.  .
     
  • Die dabei zu vollziehenden Tätigkeiten haben einen völlig anderen Stellenwert als bei A.
    .
  • Sie sind Bestandteil der zu lernenden Teil-Techniken,  also des Unterrichts-Objekts.
  • Am Schluss des Lehrganges (oder “Projektes”)  wird die Güte des fertigen Brotes ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung des Lernerfolgs sein.

Sind dem Lehrenden die Unterschiede nicht bewusst oder, was noch schwerwiegender ist, vermengt er beide Zielsetzungen, so sind Enttäuschungen unvermeidlich. Um nur das Offensichtliche zu nennen:

Im  Falle A  wird er es gelassen hinnehmen,
wenn die gebackenen Brote völlig missraten sind.

Im Falle B wird er die Qualität der Brote u. a   sogar zur Bewertung der Schülerleistungen heranziehen .

Gleiches gilt für unzählige andere Tätigkeiten, die in der zeitgenössischen Literatur als “kreative” Bereicherung des Unterrichts vorgeschlagen werden.
Schwerwiegend sind diese Unterschiede auch in umfangreich angelegten Projekten, beispielsweise

zur Aufarbeitung der jüngeren Geschichte,
zum Umweltschutz,
zur Verkehrsplanung im Stadtteil,
zur Gründung eines Jugend- und Freizeitheimes usw.


 Ohne genügend differenzierte Sichtweise der Lehrenden kommt es in diesen Fällen trotz eifriger Tätigkeiten der Lernenden oft genug zu Enttäuschungen bei den Lernenden wie bei den Lehrenden und zu unverantwortbarem Leerlauf  .

grün

Literatur:

H. RIEDEL: POPPERs Drei-Welten-Theorie und Objekt-Bereiche des Unterrichts. Grundlagenstudien aus Kybernetik und Geisteswissenschaft 35, H. 3, 1994 d, S. 114-126
H. RIEDEL: Aspekte didaktischer Objekt-Bereiche. Grundlagenstudien aus Kybernetik und Geisteswissenschaft 37, H. 3, 1996 c, S. 125-137

Zurück:    Startseite       Systemische Didaktik       Teil-Modelle     Didaktische Objektbereiche

FlächeBannerFarbe2
grün