Prof. Harald Riedel:
Systemische Didaktik

Klasse

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Wird ein Objekt oder ein Ereignis  als Klasse  betrachtet,
dann stehen im Vordergrund der Betrachtung 
die  gemeinsamen Merkmale 
der Objekte oder Ereignisse.

Wichtiger als die Gewinnung neuer Informationen ist es, durch Unterricht dafür zu sorgen, dass die Lernenden Ordnungsschemata erlernen, durch die die ständig zunehmende Informationsflut eingeordnet und bewältigt werden kann. Neben der Strukturierung zu Systemen ist die Bildung von Klassen das wichtigste Mittel hierzu.

 Meistens handelt es sich dabei um Ordnungshierarchien,  etwa für 
   -  Pflanzen,
   -  Tiere,
   -  chemische Elemente,
   -  oder elektronische Bauteile,
   -  auch für Literaturgattungen verschiedenster Art.

Hier ein Beispiel für eine Klasse mit wenigen Unterklassen und Elementen:

KlasseGreifvögel
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Auch unsere Muttersprache wäre ohne die informationsreduzierende Klassenbildung nicht möglich, da die zu bezeichnenden Objekte oder Ereignisse viel zu zahlreich sind, als dass ihnen jeweils ein Wort zugewiesen und mit dem dann unüberschaubaren Wortschatz ein praktikabler Gedankenaustausch möglich wäre. So stehen die meisten Substantive nicht für Elemente, sondern für Klassen.

Beispiel :


Wenn wir „Auto“ sagen, so meinen wir nicht ein bestimmtes Auto, sondern eine nicht abzählbare Menge von Objekten, denen gewisse
Klassen-Merkmale zukommen, etwa dass sie
   - Motoren,
   - Räder,
   - Bremsen,
   - Lenkräder usw.

aufweisen.

Schon kleine Kinder sind hochmotiviert, Klassifizierungen vorzunehmen, die Autos nicht mehr individuell, also als Element zu betrachten, sondern als “VW”, “Opel”, “Ford”, “Mercedes” usw. zu klassifizieren.
Dabei werden die möglichen Unterschiede einzelner Autos, also deren individuelle Merkmale, nicht bewusst. Das hat zur Folge, dass mit der klassifizierenden Bezeichnung „Auto“ eine starke Reduzierung der zu verarbeitenden Information bewirkt wird.

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Wie für andere Komplexitäts-Stufen gilt auch für die Klassenbildung, dass sie subjektiv erfolgt.

Beispiel :

Sie hören oder lesen das Wort  “Schwein”.
Was wird Ihnen dabei bewusst? Denken Sie an ein Tier oder an ein sittlich verkommenes Individuum?
Falls Sie ein bestimmtes Bild vor dem “inneren Auge” haben, ....

sehen Sie evtl. dieses Bild?

Pinselohrschwein

oder dieses?

Bartschwein

oder dieses?

Hirscheber

Sie stutzen,

da  Sie keines dieser Schweine kennen, weder das Pinselohrschwein noch das Bartschwein noch den Hirscheber?

Alle Tiere erscheinen Ihnen zwar schweineähnlich, aber eigentlich hatten Sie sich  bei  dem Wort “Schwein” eher ein  Bild wie eines der  folgenden vorgestellt?

DeutschesEdelschwein Hausschwein DeutschesSattelschwein

Das liegt dann daran, dass Sie mit “Schwein” 

nicht alle Schweine,

 sondern nur die Unterklasse der (gezüchteten) Hausschweine

unter dem Begriff “Schwein” subsummiert haben.

Das ist auch nicht ungewöhnlich, wenn Sie in Deutschland aufgewachsen sind und als Kind (außer dem Wildschwein?) lediglich Hausschweine wie das obige Deutsche Edelschwein oder das Deutsche Sattelschwein mit dem Wort “Schwein” haben bezeichnen hören.

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Ähnliches (Unter- aber auch Überklassifizierung) widerfährt leider auch vielen Kindern,  wenn nicht dafür sorgt wird, dass genügend unterschiedliche Elemente der Klasse als Beispiele auftreten:

  • Ein kleines Kind sagt nicht nur zu seinem Vater “Papi”, sondern auch zu anderen Männern.
  • Ein Sekundarschüler verbindet mit “Osmose” lediglich die Vorstellung eines Experiments mit der irreführend als “semipermeabel” genannten Trennschicht zwischen zwei Lösungen.
  • Ein Grundschüler sieht beim Hören des Wortes “Blüte” immer die Abbildung einer Tulpeblüte vor seinem geistigen Auge.
  • Selbst Studenten setzen  “Metall” und “Eisen” gleich, was oft genug zu physikalischen Fehlschlüssen führt.

Besonders groß ist diese Gefahr beim sog. “exemplarischen Lernen”, wenn nur ein einziges Element stellvertretend für die gesamte Klasse angeboten wird, ohne dass später genügend weitere Elemente hinzutreten.

Anders hingegen ist die Wirkung des Unterrichts, wenn das Unterrichts-Objekt auf der Komplexitäts-Stufe Element einer Klasse gelernt wird.

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Doch gleichgültig, ob man mit dem  Wort “Schwein” die Klasse aller Schweine oder nur die Unterklasse “Hausschweine”  benennt, die Klassifizierung von Elementen (oder auch Klassen oder sogar Systemen) erbringt einen großen Vorteil: die Verdichtung und Verringerung von Information.

Denn die in der folgenden Tafel aufgeführten zahlreichen Rest-Merkmale brauchen nicht mehr vergegenwärtigt zu werden, sondern nur die neun (oder nur die ersten sieben?) Klassen-Merkmale.

Echte Schweine

Klassen-Merkmale

Rest-Merkmale

 

  • mittelgroße Säugetiere
  • kompakte, fassförmige Körperform
  • derbe Haut spärlich mit  kurzen, borstenartigen Haaren
  • Schädel: kegelförmig, langgestreckt, mit Hauern und
  • Rüssel endet in einer nackten Rüsselscheibe, die um die kreisrunden Nasenöffnungen herum liegt
  • Kleine Augen, weit oben am Kopf angeordnet
  • Ohren schmal und zugespitzt
  • Eckzähne (Hauer), bei den Männchen deutlicher ausgeprägt als bei den Weibchen
  • Fuß: von vier Zehen, der 3. und 4. vergrößert, mit Hufen versehen; 2. und 5. Zehe hochgelegt

 

Pinselohrschwein

 

  • Sehr auffällige Färbung (s. Bild)
  • langer Backenbart
  • namensgebende schwarze oder weißen Büschel an den blätterförmigen Ohren
  • Beide Geschlechter mit Hauern
  • Leben zwischen Senegal und Kongo

Bartschwein

 

  • schlank
  • Beine dünn
  • Kopf langgestreckt
  • gelblich-weißen Haare, die sich über den Rüssel erstrecken
  • zwei Paar Warzen im Gesicht
  • borstiges ist graues oder dunkelbraun Fell
  • zweiteilige Schwanzquaste
  • leben in Südostasien

Hirscheber

 

  • Körper rundlich
  • Beine relativ lang und dünn
  • Übergroße Hauer
  • Haut nur spärlich mit borstigen Haaren bedeckt
  • an der Oberseite graubraun und an der Unterseite weißlich gefärbt

Deutsches Edelschwein

 

Zusätzliche Klassen-Merkmale der Unterklasse HAUSSCHWEIN

  • Hoch domestiziert (seit etwa 9000 Jahren zur Fleischerzeugung).
  • Daher stressanfällig .
  • ähnliche Herz- und Kreislaufkrankheiten wie beim Menschen,
    ebenso die Struktur des Fleisches
  • Weniger fleischbildend aber nicht sehr stressanfällig
  • sehr fruchtbar: pro Wurf  kommen oft bis zu 12 Ferkel auf die Welt

Deutsches Sattelschwein

  • Grundfarbe wird in der Mitte von einem hellen “Sattel“ unterbrochen
  • weidetauglich, gilt als robust und besitzt eine hohe Fleischqualität
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Wie die Klassenbildung geschieht und was im Unterricht beachtet werden sollte, um die Klassenbildung effektiv zu gestalten wird auf der Seite “Begriffsbildung” dargestellt.

Im voraus sei hier nur festgestellt,

  • dass ein Lernender eine Klasse nicht etwa allein dadurch erwerben kann, dass er die oben aufgeführten Klassen-Merkmale auswendig lernt.
  • dass eine solide Klassenbildung nur vollzogen werden kann, wenn der Lernende Gelegenheit erhält, die Klassen-Merkmale  mehrerer Elemente auszuwerten, so dass eine bewusste Trennung von Klassen- und Restmerkmalen geschehen kann.
  • dass die Klassenbildung durch transformierende  Intern-Operationen verstärkt und gesichert wird.

Daraus wird ersichtlich, dass auch die Klassenbildung mannigfaltige Operations-Objekte erfordert.

Die durch Klassenbildung erfolgende Informationsverdichtung muss also erarbeitet werden.

Durch die
Zusammenfassung von Objekten oder Ereignissen
 nach deren gemeinsamen (Klassen-) Merkmalen

 zu
KLASSEN
 wird die
subjektive Information verringert,

kann daher schneller und leichter verarbeitet werden
und benötigt weniger Speicherplatz.

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