Prof. Harald Riedel:
Systemische Didaktik

Komplexitäts-Stufen

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Komplexitäts-Stufen

kennzeichnen,

wie einfach, beziehungsreich oder  vielschichtig

Objekte

von einer Person wahrgenommen werden.

 

 

Folgende Komplexitäts-Stufen werden unterschieden:
System, Klasse, Element eines Systems, Element einer Klasse, relativ isoliertes Element

 

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Während meiner Tätigkeit als Hochschullehrer machte ich immer wieder die Erfahrung, dass viele Studierende große Schwierigkeiten hatten, das Modell der Komplexitäts-Stufen zu verstehen und/oder anzuwenden. Doch ist dieses Modell von großer Wichtigkeit, wenn es darum geht, 

  • Schüler dazu zu befähigen, die auf sie einstürzende Informationsflut zu verringern, zu ordnen und zu bewältigen,
  • Voraussetzungen zu schaffen, um auch langfristig anspruchsvolle  Lernprozesse in Gang zu setzen,
  • wirkungsvolle Operations-Objekte zu schaffen, die den Schülern selbständige und schöpferische Operationen ermöglichen und abverlangen .
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Die Schwierigkeit, Komplexitäts-Stufen zu verstehen, liegt wohl in ihrer Subjektabhängigkeit und Situationsgebundenheit.

 Das folgende “Vexierbild” von Bartlett verdeutlicht, was damit gemeint ist.

Betrachten Sie das Bild 3 bis 4  Sekunden
und machen Sie sich bewusst, was Sie gesehen haben!

KomplSt-AlteJungeFrau

Haben Sie eine
junge Frau
oder eine alte Frau wahrgenommen?

Für den Fall, dass Sie eine junge Frau wahrgenommen haben, versuchen Sie nun, sich beim Betrachten des Bildes eine alte Frau vorzustellen.
Sollte Ihnen das nach spätestens 30 Sekunden nicht gelungen sein, betrachten Sie diese Bilder und versuchen Sie dann nochmals, die alte Frau zu sehen. Wahrscheinlich wird es Ihnen dann gelingen.

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KomplSt-AlteJungeFrauAusschnitt

Wie am Beispiel des Vexierbildes gezeigt, ist subjektiv, was man beim Betrachten des Vexierbildes wahrnimmt, weil es von der jeweiligen Situation und vorherigen Erfahrungen abhängig ist.

Unser Auge signalisiert  lediglich ein Muster aus weißen, schwarzen und grauen Punkten, wie es durch den Ausschnitt (links) simuliert wird.

Die wahrgenommene Figur  wird erst von der Großhirnrinde des Betrachters erzeugt, wobei immer frühere Erfahrungen verarbeitet werden, auch solche aus anderen Gehirnbereichen.

Informations-Psychologen bezeichnen diesen Vorgang als “Superierung”: Die vielen Einzelzeichen, deren Informationsgehalt schon bei diesem kleinen Bild mehrere tausend Bit groß ist, werden unbewusst zu einem um Größenordnungen informationsärmeren Superzeichen verdichtet.

Die Informationsverdichtung kommt dadurch zustande, dass die  Einzelzeichen aufgrund von optischen Gedächtnis-Inhalten so mit einander verbunden werden, dass sie  eine neue Einheit bilden. Die Gestalt-Psychologie hat dafür den Begriff der “Gestalt” geprägt.

 

Gestalten bzw. Superzeichen sind Komplexe,
deren Einzelzeichen nicht mehr bewusst werden.
Dadurch wird die Information verringert.

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Durch den subjektiven Vorgang der Komplexbildung wird Information verringert.

Daraus ergeben sich große Vorteile für das Lernen:

 schnellere Speicherung und einfachere Verarbeitung.

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Komplexe werden dadurch erzeugt, dass zwischen den Elementen Zusammenhänge hergestellt werden.
Allerdings können Zusammenhänge auf zwei Arten geschaffen werden.

a)

b)

Aufgrund von gemeinsamen Merkmalen aller Elemente wird eine  Klasse gebildet

Die Elemente werden durch Relationen verbunden. Dadurch entsteht ein System.

Komplexbildung

Die folgenden drei Bilder veranschaulichen das, wenn auch auf sehr vereinfachende Weise.

(relativ isolierte) ELEMENTE

KomplSt-Lego-ElementeIsolierte

Zusammenhang 1. Art

KomplSt-Lego-Klassen

Zusammenhang 2. Art

KomplSt-Lego-SystemAuto
RelationRadWelleBuchse

Hier liegen Gegenstände zusammenhanglos auf einem „Haufen“.  Sie sind   nicht geordnet, sondern „wahllos“ neben- und übereinander geworfen. Zusammenhänge gibt es nicht.
Wollte man die Gegenstände beschreiben, so müsste man sehr viele ihrer Merkmale aufzählen , z. B.:

  • aufgeklappter Spiegel,
  • der Deckel ist türkis,
  • das Oberteil pink,
  • Form: Rechteck mit angefügtem Bogen,

u. v. m.

                                                  weitere Beispiele

KLASSE

Hier entstehen Zusammenhänge zwischen den Elementen aufgrund gemeinsamer Merkmale.
Die  Legosteine sind geordnet,  “klassifiziert”. Drei Klassen sind erkennbar:

  • Räder, sie weisen  alle  das Klassenmerkmal “RUND” auf.
  • Bausteine, die zwar unterschiedlich groß, aber alle QUADRISCH  sind.
  • Steine zum Bauen von Dächern, sie alle sind nach einer Seite hin ABGEFLACHT.

Die Informationsverdichtung kommt zustande, weil hier nur die Klassenmerkmale beachtet werden und die Restmerkmale keine Rolle spielen.

Man könnte die Elemente auch anders klassifizieren, etwa nach ihrer Farbe: rote, schwarze, weiße. Es hängt also von der subjektiven Entscheidung des Betrachters ab, zu welchen Klassen die Elemente zusammengefasst werden.

                                         weitere Beispiele

SYSTEM

Hier bestehen völlig andere,  funktionale Zusammenhänge.
Die Bausteine sind zu einem Auto zusammengesetzt. Die einzelnen Bausteinen, die Elemente, sind miteinander  gekoppelt. Die Kopplungen ergeben sich aus der gegenseitigen Passung ganz bestimmter Merkmale der Elemente.

So passen die Räder nur in die als Achsen dienenden “Lochsteine” und können auch dort nur drehbar gelagert werden. Lochstein und Rad stehen in  bestimmter Beziehung zueinander. Die Relation ergibt sich aus ganz bestimmten Merkmalen der beiden Elemente, dem Zapfen in der Mitte des Rades und der drehbaren Buchse in der Mitte des “Lochsteines”.

Durch die Kopplung dieser Merkmale der beiden Elemente Rad und Lochstein entsteht ein Teil-Systems des Autos. Vier solcher Teil-Systeme bilden zusammen mit einer Platte den rollfähigen Boden des Systems AUTO.

Für die Teil-Funktion “ROLLEN” spielen die übrigen Merkmale der verwendeten Elemente keine Rolle, etwa die Farbe, das Material, die Oberflächenbeschaffenheit, die Kosten.

Dies wiederum ist der Grund für die Informationsverdichtung durch Systembildung.

                                       weitere Beispiele

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Die Dachvorderkante des Legoautos wird durch einen angeschrägten sog. “Dachstein” gebildet. Derselbe Stein tritt als Element jedoch auch in den anderen beiden Bildern auf.

    Im ersten Bild ist er ein relativ isoliertes Element neben anderen Elementen.
    Im zweiten Bild ist er ein Element der Klasse “Abgeflacht”.
    Im dritten Bild ist er ein Element des Sytems “Auto”.

(s. dazu das Unterrichts-Objekt “Tulpe” als relativ isoliertes Element, als Element einer Klasse und als Element eines Systems)

Somit lassen sich die folgenden Komplexitäts-Stufen unterscheiden:

KomplexitätsStufenBaumAufLila

In der Grafik ist allerdings noch nicht dargestellt, dass darüber hinaus  wegen der Subjektabhängigkeit  noch weitere Komplexitäts-Stufen
existieren, z. B.

Klasse von Klassen:  Klasse der Frühblüher, deren Unterklassen Zwiebelgewächse, Knollengewächse, Wurzelstockgewächse.

Klasse von Systemen:  Autos verschiedener Zwecksetzung (Lastwagen, Rennwagen, Geländewagen, Amphibienwagen, ...)

System von Systemen: Autoproduktion, Einfluss des Kraftwagenverkehrs auf die Atmosphäre. 

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Bei der Komplexbildung wird die Information von Elementen immer dadurch verringert, dass nur solche Merkmale in den Blickpunkt geraten, die entweder Klassenmerkmale sind oder für die Relationen zwischen den Elementen wichtig sind.

Wie wirksam sich Information verdichten lässt, kann am nebenstehenden Bild veranschaulicht werden:

Können Sie die  Punktmuster nach ein-minütiger Betrachtung aus dem Gedächtnis aufzeichnen? Versuchen Sie es!

KomplSt-PunkteOhneVerbindg

Die Aufgabe dürfte Ihnen nicht leicht gefallen sein. Betrachten Sie nun dieses Bild und versuchen Sie nochmals die eben gestellte Aufgabe zu lösen!

Die Lösung wird Ihnen sicher leichter fallen, da Sie sich mit Hilfe der  zuvor gesehenen Verbindungslinien an Buchstaben erinnern und die Muster entsprechend rekonstruieren können.

Im ersten Anlauf hatten Sie die Punktfiguren Als Elemente mit bestimmten Merkmalen zu reproduzieren versucht. Durch die Verbindungslinien konnten Sie dann die Punktmuster als viel informationsärmere Systeme auffassen und verarbeiten.

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